Montag, 12. Oktober 2009

Acabo de llegar



Donnerstag, 08.10.09 Ich stehe vor der Cathedrale von Santiago, bin angekommen. Die Emotionen spielen verrückt, es ist noch nicht wirklich zu begreifen.
Heute morgen machen ich mich bewusst alleine auf den Weg, möchte die letzte Etappe nur bei mir sein. Als ob ich es kaum erwarten könnte geht es schon früh los, in der bis weit in den Morgen andauernden Dunkelheit entdecke ich nur schwer die ersten Pfeile hinaus aus Arca. Die Luft glitzert vor Feuchtigkeit, alles ist ruhig, ich bin ruhig, es geht durch kleine Dörfer und Wälder, wie die letzten Tage auch. Der erste Vorbote der sich nähernden Großstadt ist der lärmende Flughafen, den der Jakobsweg nur einige hundert Meter entfernt passiert. Die erste heftige Gänsehaut überkommt mich circa 12 km vor Santiago, als an einer Autobahn-Auffahrt die ersten Autos zu hupen und ihre Insassen zu winken anfangen. An einem kleinen Fluss in einem Wäldchen mache ich meine letzte Pause, nehme mein Frühstück ein. Vorbei am riesigen Herbergskomplex (3000 Betten!) und dem Aussichtspunkt in Monte de Gozo geht es hinunter nach Santiago. Die Stadt begrüßt einen gewohnt unspektakulär mit hässlichen Außenbezirken und... Regen. Ich bin kaum am Ortsschild vorbei, zieht ein kurzer Schauer über mich hinweg. Petrus ist wohl eifersüchtig, weil ich Jakob besuche. Je näher ich dem Stadtkern komme, desto mehr ergreifen mich ein wirre Gefühle. Es ist schön, es ist traurig, es ist alles auf einmal. Im historischen Stadtkern tun zahlreiche Straßenmusiker und der 12-Uhr-Gottesdienst, in den ich geradewegs hereinplatze, ihr übrigens. Ich bin überwältigt, stark, schwach, stark, schwach. Es dauert einige Minuten, bis ich mich wieder gefasst habe.
Auf dem Kathedralsvorplatz treffe ich Rita, die Ungarin vom Marathon nach Leòn, das erste von wohl noch zahlreichen zufälligen Wiedersehen, hier am Ende des Weges. Sie ist einiges schneller gelaufen als ich, war schon am Kap Finisterre und wollte vor ihrer Busfahrt zum Flughafen einfach nochmal kurz an der Kathedrale vorbei schauen. Sie hatte so ein Gefühl, sagt sie, noch jemanden zu treffen. Wir müssen lachen, machen ein Photo und verabschieden uns. Sie wird nach Madrid fliegen, dort mit ihrem Freund Schluss machen, in Ungarn ihre Arbeit aufgeben und dann nach Indien gehen. Sagt sie. Wow. Wenn man solche Pläne und vor allem auch immer wieder die ganzen Schicksalsgeschichten, die die Leute hier auf dem Weg parat haben, hört, fühlt man sich manchmal doch ein bißchen außen vor und recht langweilig. Was hat sich eigentlich bei mir getan und verändert auf dem Weg? Rita mir wünscht zum Abschied, dass ich meinen Weg finde, doch habe ich das nicht schon längst?! Die letzten 3 Wochen Camino waren eine krasse, bewegende, tolle und völlig neue Erfahrung, Gefunden habe ich, von 2 ganz lieben neuen Freunden mal abgesehen, aber nichts. Weil es auch nichts zu suchen gab. Zu mir selbst habe ich, glaube ich, auch schon vor dem Jakobsweg gefunden und meinen weiteren Weg, den möchte ich gar nicht finden, sondern immer wieder neu entdecken und gehen. Zuerst führt mich dieser jetzt mal zum Pilgerbüro, die Compostela-Urkunde abholen. Dann ab in die Pension, werde mich hier erstmal 3 Tage niederlassen. Die post-santiagischen Pläne sind trotzdem schon geschmiedet: Sonntag gehts mit dem Bus nach Finisterre, ans Ende der Welt. Dienstag mache ich mich dann auf nach Porto und Lissabon, habe mich noch für einen ungefähr zehntägigen Abstecher nach Portugal entschieden...

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